Der Geräte-Dschihad


Eine Glosse für die Dampfer-Zeitung, im Juni 2012. Geschrieben und gesprochen von Philgood.

Oh ja, es ist ein „Dschihad“, ein heiliger Krieg der sich in der Dampferwelt abspielt. Und zwar ein ausgewachsener! Nein, kein erwachsener - aber eben ein ausgewachsener.
Es sind die Fundamentalisten, die Jünger des Gerätes XY die in den heiligen Krieg ziehen. Sie haben eine Mission und sie werden diese ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen.

Aber erst mal der Reihe nach. Nehmen wir an der Mario (Name beliebig austauschbar) hat sich entschlossen das Gerät XY (Gerät ebenfalls beliebig austauschbar) zu bestellen. Es kostet so um die 100 Euro (Betrag beliebig wählbar), er erhält es und dampft damit. Er findet es gut am Anfang. Dann findet er es noch besser und am Schluss findet er es sogar super. Soweit so schön, alles im Lot könnte man meinen, Glückwunsch Mario!

Aber jetzt geht das unglückliche Spiel los. Mario möchte nämlich nicht alleine bleiben mit seinem tollen Gerät XY, nein, er möchte allen erzählen dass er dieses tolle Gerät hat. Und dass es super toll ist. Das an sich wäre auch noch nichts Verwerfliches.
Nun loggt sich Mario also in den Foren ein und findet sofort Themen wie „Für alle die XY super finden“. Zusätzlich wird er Mitglied in der Facebook-Gruppe „Fanclub der XY“ und guckt sich alle Videos auf YouTube an.
Und plötzlich ist er in seinem Element. Plötzlich hat er Gleichgesinnte um sich herum die auch ganz genau wissen dass der XY das absolute Top-Gerät ist und man das allen erzählen muss. Und zwar unbedingt jetzt gleich!

Und an diesem Punkt geht er nun los der Dschihad, der heilige Krieg. Mario fängt an alle Newbies zu begrüssen und postet dann gleich dazu dass sie sich schleunigst den XY besorgen sollten wenn sie jemals richtige Dampfer werden möchten. Auch in Themen in denen es um andere Geräte geht empfiehlt Mario nun jeweils dringend, so schnell wie möglich auf den XY umzusteigen. So geht es weiter durch alle Themen in den Foren und in den Gruppen. Selbst im Haustier-Thread postet Mario dass seine Katze viel lauter schnurrt seit er das Gerät XY benutzt, was ja auch kein Wunder sei da der Nichrome-Draht ein ganz anderes Spektrum beheizen könne als ein lumpiger Backofen-Draht.

Sowieso spart Mario nicht mit technischen Details, das ist ein wichtiger Teil seiner Missionarstätigkeit. Nicht dass diese Details irgendeiner verstehen würde, geschweige denn dass es irgendeinen interessieren könnte. Nicht mal Mario selber.
Aber es macht sich halt saugut wenn man so ein Bisschen klingonische Tarnkappen-Technologie in einen simplen Akkuträger einbringen kann. Oder wenn man vor einem praktisch garantierten Warpkern-Bruch warnen kann, den alle Geräte ausser dem XY eher früher als später quasi zwingend erleiden werden.

Ihr kennt sie alle, den Mario und seine Dschihadisten, nicht? Man begegnet ihnen täglich und in penetranter Kadenz im Netz.

Nun, man könnte es auch etwas tiefen-psychologischer anschauen. Man könnte sagen dass der Mario einfach ein schlechtes Gewissen hat weil er 100 Euro für ein Dampfgerät ausgegeben hat und seine Frau ihm nun die Hölle heiss macht. „Der alte Wagen liegt im Sterben, es muss dringend ein Neuer her. Und Du kaufst einen solchen Blödsinn! Für 100 Euro!!! Das ist ja der Gipfel Monsieur, hätt ich doch bloss auf meine Mama gehört!!!“

Tja und deshalb sucht der Mario jetzt nach Bestätigung und nach Gleichgesinnten, die ihm versichern dass er das absolut beste Gerät das es gibt gekauft hat und dass er ohne XY schon längst wieder am Rauchen wäre.

So oder so – mir ist ein Dampfgerät als stilisierte Waffe in den Händen von Dschihadisten deutlich unsympathischer als eine Dampfe in Form einer gemütlichen Friedenspfeife.

In diesem Sinne, gehabt Euch wohl und allzeit gut Dampf!

Euer Philgood