Deutscher Liquid-Rettungsschirm


Eine Glosse für die Dampfer-Zeitung, im Juli 2012. Geschrieben und gesprochen von Philgood.

Bis vor kurzem war der goldene Fallschirm in aller Munde, der Ausdruck wurde inflationär verwendet wenn es um unverschämte Abgangsentschädigungen für Manager ging. Seit der Euro-Krise ist er von den Rettungsschirmen abgelöst worden. Es gibt einen Rettungsschirm für Griechenland, einen für spanische Banken, einen für europäische Staatshaushalte und einen für Silvio's Bunga-Bunga-Partys.

Und immer deutlicher zeichnet sich am Horizont ein deutscher Liquid-Rettungsschirm ab. Den hat zwar keiner herbeigerufen oder gefordert, aber er wird zielstrebig und konsequent aufgebaut.
„Hergestellt – produziert – verarbeitet in Deutschland“ oder „Aus deutscher Produktion“ kann man in immer mehr Shops lesen. Oder sogar „Alle Zutaten aus deutscher Herstellung“.
Brauchen wir diesen Rettungsschirm deutscher Herstellung? Und falls ja, wovor müssen wir eigentlich gerettet werden?

Die Frage ist doch, können nur in Deutschland gute Liquids hergestellt werden? Anfänglich wurde übrigens noch von „europäischer Produktion“ gesprochen. Das reicht heute nicht mehr. Den Italienern und den Polen traut man offensichtlich nicht mehr zu saubere Liquids herstellen zu können – und den Kroaten schon gar nicht. Nein, es muss zwingend deutsch sein. Und alles was aus China kommt ist grundsätzlich und sowieso böse. Das zumindest suggerieren uns die Anbieter auf ihren Webseiten in blumigen aber bestimmten Worten. Ist das nur ein indirektes Konkurrenten-Bashing oder steckt mehr dahinter?

Erstaunlicherweise bringt man Liquids aus den USA und aus England keinerlei Bedenken entgegen. Diese werden ungesehen für gut befunden. Ein Liquid aus Florida ist halt schon deutlich cooler als eins aus Warschau, speziell wenn es noch mit lustigen Lebensmittelfarben aufgepeppt wird, damit es auch im DCT toll aussieht. Das Wort „Liquidrassismus“ werde ich hier allerdings nicht ins Spiel bringen, das wäre dann wohl doch etwas überzogen.

Aber was heisst eigentlich „aus deutscher Herstellung“? Im schlimmsten Falle heisst es dass irgend ein schmuddeliger Zeitgenosse an seinem Küchentisch Handgelenk mal Pi ein paar Zutaten zusammenmischt und immer mal wieder reinhustet weil er gestern zu viel geraucht hat. Deckel drauf und die Etikette „hergestellt in Deutschland“ geklebt.
Ganz ehrlich - da bestelle ich lieber ein Liquid aus industrieller chinesischer Fertigung als diese Plörre vom Küchentisch-Panscher.
Natürlich sind die meisten deutschen Anbieter bestrebt ihre Hygienestandards möglichst hoch zu halten. Aber leider nicht alle. Und deshalb ist „produziert in Deutschland“ auch kein ernstzunehmender Qualitätsanspruch.

Früher oder später wird die Politik auf unsere Branche zukommen und allgemein gültige Standards zur Herstellung von Liquids fordern. Oder sie wird – was im Moment wahrscheinlicher ist - über unseren Kopf hinweg entsprechende Richtlinien erlassen. Wir tun also gut daran wenn wir vorbereitet sind und uns mit ihnen an einen Tisch setzen können.
Wir müssen definieren was wovon und in welcher Menge in einem Liquid enthalten sein soll. Und nach welchen hygienischen Mindestanforderungen produziert werden darf. Genauso wie dies auch bei Lebensmitteln der Fall ist.
Ich weiss dass die IG-ED als Konsumentenvertreter und der VdeH als Händlerverband bereits an diesen Themen arbeiten. Das ist gut und wichtig!

Wenn wir diese Standards erst einmal haben dann spielt es keine Rolle mehr ob mein Liquid aus Flensburg oder aus
Pengo-Pengo kommt. Der Versand aus Pengo-Pengo wäre wohl sogar günstiger als innerhalb Deutschlands, nur die Lieferzeiten sind etwas länger.

In diesem Sinne, gehabt Euch wohl und allzeit gut Dampf!

Euer Philgood